NETZ UND TRENDS
Pendler als Zeitzocker

Dieselgate und Staus im Berufsverkehr, so manches Schreckensszenario der Mobilität schickt vermehrt die Bürger auf die Strecke – und zwar die Bahnstrecke. Wäre da nicht, ja wäre da nicht die Pünktlichkeitslotterie, die jeden Pendler zum Zeitzocker verführt. Hier schickt die Bahn per App Streckenagenten …
in die Arena. Sie spüren Verspätungen auf, mittlerweile bundesweit und geben diese an die Reisenden weiter. Die Bahn selbst behauptet, dass die DB Streckenagent-App die erste Pendler-App in Deutschland ist, die den Fahrgast per Push-Nachricht über aktuelle Störfälle informiert. Die Daten für diese Push-Meldungen werden individuell von den Streckenagenten in der Transportleitung ins System eingegeben und versandt. Bislang konnte man auch schon einen Verspätungsalarm per Internet aktivieren. Hierzu ist aber ein Nutzerkonto nötig. Die App macht es leichter und präziser. Das stellten die Tester vom Heyse-Verlag fest. Ein Alarm wurde über Konto und über App aktiviert. Während der Pendler-Alarm des DB-Navigators stumm blieb, verschickte der neu eingerichtete Streckenagent drei Verspätungsalarme für den ICE 533, die am Ende 112 Minuten Verspätung ergaben. In diesem Fall war der klare Testsieger die App. Sie ist unter der Bezeichnung „DB Streckenagent“ für Android und IOS kostenlos erhältlich.
Per Push gegen Piraten

Das Kommando zum Entern taucht beim Surfen im Internet weniger auf, Piraten lauern dennoch in den Tiefen des Netzes. Besonders kleinere Unternehmen und private Nutzer erkennen meist relativ spät die Gefahr. Gern, wenn es schon zu spät ist. Mit SiBa wird …
nicht alles anders, die Chance, aktuelle Risiken im digitalen Alltag zu umgehen, steigt jedoch beträchtlich. Sobald Datenlecks in Systemen oder Hackerprogrammen erkannt sind, informiert das Sicherheitsbarometer über drohende Gefahren. Kurz und bündig werden Sofortmaßnahmen aufgezeigt sowie konkrete Schutzmöglichkeiten. Die Risiken sind durch eine Ampelmarkierung leicht zu erkennen und über außerordentliche Gefahren informiert die App per Push-Nachricht direkt aufs Smartphone. Die Ampel klassifiziert die Bedrohungsstufe klassisch mit rot für hohes Risiko, gelb für mittlere Bedrohungslage und grün übermittelt den Sicherheitshinweis.
SiBa bündelt Sicherheitstipps und Hilfestellungen, die in der Regel nur schwer aufzufinden sind. Meldungen können über eine Teilen-Funktion schnell und einfach an Bekannte und Freunde weitergeleitet werden. Die Themenfelder decken die wichtigsten Berührungspunkte im digitalen Alltag ab. Dazu gehören neben den klassischen Themen wie Cloud, Einkäufe oder Bankgeschäfte nun auch Haus- und Heimvernetzung und Gesundheit nebst Vitaldienste.
Allerdings ersetzt das Sicherheitsbarometer nicht den Virenscanner oder andere Sicherheitsmaßnahmen. IT-Sicherheitsexperten bewerten die Gefahrenlage und warnen über den Verband „Deutschland sicher im Netz e.V.“ sofort nach Erkennen mit entsprechenden Schutzhinweisen. Der Download des Sicherheitsbarometers ist kostenfrei und für Android und IOS erhältlich.
ERFAHRUNGEN UND ERFOLGE
Vorsicht, Schleimer!

Wie nehmen Mitmenschen einen guten Arzt, Finanzberater oder überhaupt einen Spitzenspezialisten als solchen wahr? Im ersten Reflex möchte man meinen, es sei vielleicht die Reputation, fachliche Qualifikation oder der akademische Werdegang. Nun, neuere Untersuchungen zeigen, ...
dass die Bewertung eher dem Bauchgefühl entspringt. Psychologen der Universität Breslau fanden heraus, dass für Laien derjenige als guter Experte gilt, der einem sagt, was man hören will. Wirklich überraschend ist das nicht, da ja schon in der Beschreibung des Phänomens der Wissensillusion (nächster Artikel in diesem Newsletter) erstaunt, welches Wissen man für sich reklamiert. Warum sollte also nicht auch die Beurteilung der Fähigkeit seines Gegenübers von eigenen Gnaden erfolgen. Konsequenterweise gilt derjenige als guter Arzt, der die zuvor im Internet recherchierte Eigendiagnose des Patienten bestätigt.
Bei den Psychologen der Universität Göttingen wurde in Studien beobachtet, dass ein Gesprächspartner als besonders kompetent gilt, wenn er gleicher Meinung ist. Das korrespondiert durchaus mit der Vorgabe, dass Dialogfähigkeit steigt, je mehr Aufwertung der Gesprächspartner erfährt. Verkürzt bedeutet das: Sag ihr, was sie hören will und du bist im Gespräch. Das bringt einen weiteren Vorteil in die Konversation. Informationen gelten generell als besonders glaubwürdig, aussagekräftig und bedeutend, wenn sie die Ansicht des Zuhörers bestätigen. Nun wird auch nachvollziehbar, warum sogenannte Fake News (Falschnachrichten) so hartnäckig Weiterverbreitung finden. Sie spiegeln die Ansicht des willigen Lesers. Also muss es stimmen. Das „nach dem Mund reden“ ist übrigens nicht neu. Den klassischen Vertreter dieser Technik nannte man Schleimer und vor dem sollte man sich in Acht nehmen.
Das Gefühl vom großen Durchblick

Ist wahrscheinlich nur ein Gefühl. Wir sind nicht so schlau, wie wir denken. Diese Erkenntnis erhält Kontur, wenn man Forschungen aus Deutschland und den USA zum Thema Kognition betrachtet. Leicht konsumierbare Artikel führen dazu, ...
das eigene Wissen deutlich zu überschätzen. Das fanden Psychologen der Universität Münster heraus. Sie legten Versuchspersonen Textversionen zu verschiedenen Themen aus der Medizin vor, einmal populärwissenschaftlich und dann fachwissenschaftlich formuliert. Die vereinfachten und in Komplexität zurückgenommenen Artikel erzeugten bei den fachunkundigen Lesern den Eindruck, alles bestens verstanden zu haben. Weiteren Rat eines Experten erachteten sie für unnötig.
Großer Durchblick wird wohl auch dann angenommen, wenn zu einem komplexen Thema besonders wenig bekannt ist. Philip Fernbach, Assistenzprofessor an der Universität Colorado, befragte zu Themen wie Emissionshandel, amerikanische Steuergesetzgebung oder dem amerikanischen Renten- und Gesundheitssystem. Ziemlich kompliziert das alles, dennoch glaubten viele Teilnehmer, sie wüssten Bescheid. Bei detaillierter Nachfrage stellte sich der Sokrates-Effekt (ihm wird diese Erkenntnis durch Platon in den Mund gelegt) ein: ich weiß, dass ich nichts weiß. Und die Probanden waren sauer, als sie daran scheiterten, schlüssige Erklärungen zu liefern.
Auch die Verfügbarkeit von Wissen verführt zur Annahme eigenen Kenntnisreichtums. So der Effekt bei Suchanfragen im Internet: leicht wird die Antwort über Google und Konsorten gefunden und leicht verfängt damit auch der Irrglaube, viel zu wissen und den Durchblick zu haben. So gesehen hat sich der olle Sokrates mal wieder als hochaktuell erwiesen.
ENTWICKLUNG UND BEISPIELE
Netter Algorithmusabend gefällig?

Algorithmen gehören zunehmend zu unserem alltäglichen Umgang. Was löst unser Navigationsproblem, klar, Algorithmen. Was bestimmt, was wir nach einer Suchanfrage im Internet sehen? Dreimal darf man raten, Algorithmen natürlich. Bei so viel Algorithmik ...
erstaunt es nicht weiter, dass im digitalen Untergrund von Berlin Quelltextlesungen schon Programm sind. Hier wird derzeit über Programmiersprachen diskutiert wie in einem Proseminar dazumal über Gedichte. Die neue Linguistik der Maschinen bringt allerdings einen entscheidenden Unterschied. Sie ist das Element, das Entscheidungen trifft. Und genau das kennzeichnet das Problem. Gesetze wie Algorithmen werden von Menschen geschrieben. Soziale Veränderung und vor allem Werte formen Gesetze. Im Unterschied dazu schreiben Ingenieure für Auftraggeber Algorithmen mit einer bestimmten Zielsetzung. Etwas deutlicher definiert dies der Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung: Ein Algorithmus gibt eine Vorgehensweise vor, um ein Problem zu lösen. Zur Not geschieht dies auch geheim im Hintergrund. Das Ranking von Suchergebnissen bei Google ist so eine Geheimsache. Und bei fortgeschrittener Künstlicher Intelligenz weiß am Ende nur noch der Computer selbst, was er da so an Lösungen algorithmiert hat.
Für Politik und Pädagogik bedeutet dies, das Programmieren gehört als Pflichtfach her. Absehbar sind Programmiersprachen ebenso wichtig wie Handelssprachen. Vielleicht entwickelt sich sogar eine eigene Sprachmelodie und dieser Rhythmus trifft Entscheidungen.
Oder anders gesagt, was sind schon die Alliterationen von Ernst Jandl gegen die Algorithmen von Google.
Das Pfeifen im Walde

Dem Facharbeiter geht es an den Kragen, wenn die Prognosen des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung eintreffen. Beispielsweise Logistik und Maschinenbau erfahren eine größere Automatisierung, die sich für den Niedriglohnbereich ...
nicht vergleichbar abzeichnet. Klingt logisch, auch wenn, falls die Erinnerung nicht trügt, die ersten mobilen Roboter zunächst im Reinigungsbereich vorgestellt wurden. Für die Katz, weil, so die Sozialforscher, die Löhne im unteren Segment derzeit so niedrig sind, dass die Systemkosten die Personalkosten noch übersteigen. Das heißt wohl: Glück für die Putzfrau und Pech für den Paketfahrer.
Der Thinktank „Millennium Projekt“ sieht in den kommenden 30 Jahren sogar das Prinzip der Lohnarbeit überholt. Wie soll also künftige Qualifizierung aussehen? Forscher des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) eröffnen die Gleichung, dass je mehr Bildung die Arbeitnehmer vorweisen können, umso besser seien sie für die Digitalisierung gewappnet. Und natürlich wird die Basiskompetenz beschworen, sich immer wieder in neue Herausforderungen einarbeiten zu können. Für so manchen mag das wie das Pfeifen im Walde klingen. Früher hätte man wohl defätistisch, aber demütig gedacht: Gott erhalte meine Gesundheit und die Arbeitskraft meiner Frau.
BÜCHER UND ARTIKEL
Frisch übern Tisch

Schmutzige Tricks beim Feilschen, aber auch ganz solide Verhandlungstipps liefert Jack Nasher in seinem Ratgeber „Deal“. Der Psychologe und schicke Professor an der Munich Business School gilt im deutschsprachigen Raum ...
als Fachmann für Verhandlungsführung. Nicht unumstritten, aber auch nicht zu Unrecht, wie man in der Lektüre seines Leitfadens feststellt. Es gibt wohl in seinem Fachgebiet Mitstreiter, die seine akademische Reputation infrage stellen und ihn in eine eher populärwissenschaftliche Ecke verbannen. Aber genau hier ist „Deal“ gut aufgehoben. Es liest sich flüssig und nachvollziehbar und die Beispiele wirken authentisch, ohne den Eindruck zu erwecken, aus einem Institutslabor zu stammen. Der schnelle Leser mag ein wenig stutzen, da die Anfangskapitel widersprüchlich zu den Empfehlungen in den späteren Abschnitten erscheinen. Das mag jedoch der jeweiligen Beispielssituation geschuldet sein. Das Feintuning des Feilschens hilft, wenngleich die Regeln des Basars nicht so leicht außer Kraft zu setzen sind. Der, der kaufen will und der, der verkaufen muss, werden wohl immer Federn lassen müssen.
Im Nachwort findet sich eine interessante Empfehlung, die über den thematischen Rahmen des Buches hinausragt. „Erst die Konzentration auf Stärken führt zu Weltklasse und Sie dazu, Ihr Potenzial zu entfalten. Wer hingegen an seinen Schwächen arbeitet, kann höchstens Mittelmaß erreichen.“
Jack Nasher, Deal, Du gibst mir, was ich will. Goldmann Verlag, München, 367 Seiten, € 9,99.
Digital sei Dank

Industrie 4.0 oder auch die Digitalisierung der Unternehmen ist bei genauer Betrachtung ein Segen. Derart konsequent sieht und vermittelt es Reinhard K. Sprenger in seinem neuen Buch „Radikal Digital“. Nicht weniger als die Wiedereinführung des Menschen in die ...
Unternehmen ist gemeint. Dies bildet die Ausgangsthese für die 111 Führungsrezepte in seiner Betrachtung der technologischen Revolution. Der Managementberater Sprenger denkt nicht einmal quer. Er folgt der Logik eines Gedankens, der die konstruktive Verknüpfung von Mensch und virtueller Maschine durchspielt. Für ihn sind die rechnergefahrenen Routinen nicht Bedrohung durch Algorithmen sondern ermöglichen „Konzentration auf das Wesentliche, was nur Menschen leisten können“. Die geänderte Perspektive schärft den Blick für den Dreisprung des Buches: Kunden, Kooperation und Kreativität. Sie stehen programmatisch für den Erfolg von Unternehmen in Zeiten geänderter Herausforderungen.
Der Kunde bleibt für Sprenger Hauptakteur, denn in ihm sieht er sowohl den Taktgeber wie auch die Knetmasse der Unternehmen. „Es ist ein Mythos, dass das Management ein Unternehmen steuert. In Tat und Wahrheit steuert der Kunde.“ Formbar im Sinne des Unternehmens wird der Kunde durch die Personalisierung der digitalen Fußabdrücke, die zu gezielter Werbung mit Angeboten führt. Die kundenzentrische Betrachtung verändert die digitale Ansprache weg von der Zielgruppe hin zur Dialoggruppe. Kundenbewertungen im Netz beziehen sich damit nicht nur auf den Verkäufer, sondern auch auf den Kontakt mit dem Techniker oder der Versandabteilung. Alle sind plötzlich an der Vertriebsfront und damit entscheidend auf Kooperation angewiesen. Mitsprachepflicht statt Mitspracherecht erscheint einleuchtend und wird vom Autor als Forderung für Führungskräfte deutlich angesprochen.
„Es gibt keine allseits bewährte Formel zur Erzeugung kreativer Leistungen“, Kreativität lässt sich aber leicht ersticken, meint Sprenger im dritten Teil seiner Rezeptsammlung. Seine Empfehlung: Initiative statt Konformität anerkennen. Und, nicht ganz unwichtig, Kreativität hat so oder so ihren Preis. Diese Problematik zeigt deutlich ein Zitat des Industriellen Philip Rosenthal auf: „Wer zu spät an die Kosten denkt, ruiniert sein Unternehmen. Wer zu früh an die Kosten denkt, tötet die Kreativität.“
Übrigens, vieles ist auch dem Glück zu verdanken, denn Strategie ist nur dann möglich, wenn man sich dem Unerwartbaren öffnet, so Dr. Sprenger in einem Gespräch mit dem Buchrezensenten. Welche Bedeutung er den Erkenntnissen von Daniel Kahneman beimisst und wo er psycho-organisatorische Fehlkonstruktionen verortet, wird im kommenden Newsletter zu lesen sein.
Reinhard K. Sprenger, Radikal Digital, DVA, München, 266 Seiten, € 25,00
DATEN UND AKTUELLES
Öffentliche Trainings
Unser nächstes öffentliches Managementtraining
"WANDEL-MACHT-MUT"
findet an den folgenden Terminen statt:
KARRIKATUR
Zum Schmunzeln

Der Newsletter wurde erstellt mit der redaktionellen Unterstützung von www.beziehungswerk.de.