NETZ UND TRENDS

Mensch in Maßen

e-mail

Ein großer Versandhändler erntete jüngst argen Ärger bei Presse und Personalvertretung. Er hatte die Messlatte zu hoch gehängt. Hervorgerufen wurde dieser Unmut durch ein Bewertungssystem, mit dem …

sich die Mitarbeiter u.a. gegenseitig benoten können. In erster Reaktion möchte man denken: so what! Schließlich benotet sich mittlerweile ein großer Teil der Gesellschaft selbst, beispielsweise über Apps zur Selbstoptimierung. Der Unterschied besteht nur darin, dass dies freiwillig erfolgt. Fremdbenotung auf Initiative des Arbeitgebers bringt womöglich Ängste in Wallung, die mit Ausbeutung und Bevormundung verknüpft sind. Andererseits befürwortete schon Peter Drucker Bemessungsgrundlagen für die Mitarbeiterführung: „was Du nicht messen kannst, kannst Du nicht lenken“. Nun stehen sich in der Arena Gegner und Befürworter gegenüber und werfen sich Begriffe wie Selbstausbeutung und Konkurrenz versus sportlicher Leistungsvergleich und Förderung von Teambildung entgegen.

Eines scheint ziemlich sicher. Die digitalen Steuerungs- und Mess-Systeme werden nicht verschwinden. Allenfalls die Voraussetzungen und der Umfang dieser Systeme lassen sich eingrenzen. Ziel erreicht heißt unter Umständen, dass ein realistisches Bild der Leistungen verzerrt erscheint. Sekundärziele sind womöglich vernachlässigt oder gar nicht mehr angestrebt. Oder anders formuliert, der karriere- und bonusorientierte Einzelkämpfer ist nicht bekannt als Garant für den Firmenfrieden.

Und App dafür

Speicherstick

Sie heißen Travelperk, Tripactions und Comtravo und zeigen einmal mehr, dass digitaler Dienstleistung kaum Grenzen gesetzt sind. Grenzübergreifend tummeln sie sich auf dem Feld der Geschäftsreisen. Trotz Skype und Co verzeichnen diese auch in Zeiten von …

Co2 Vermeidung ordentlich Zuwachs. Vielfach in kleineren Firmen fällt die Dienstfahrt in die Planungshoheit des Mitarbeiters. Die genannten Start-Ups bieten nun per App Erleichterung für den gemeinen Geschäftsreisenden. Durch Partnerschaften mit Fluglinien und Integration von Plattformen wie Expedia, Booking.com, Skyscanner und Airbnb bewegt sich der reiseverpflichtete Nutzer in einer Maske. Preisvorteile werden an ihn weitergegeben und firmeneigene Konditionen lassen sich beispielsweise bei Travelperk hinterlegen. Weiterer Vorteil hier, das Start-Up geht in Vorkasse und stellt dem Unternehmen das Paket der Reiseleistungen in Rechnung. Geldauslage und detaillierte Reisekostenabrechnung entfallen für den Mitarbeiter.

Die Marktführer in der Branche beobachten die Entwicklung mit Neugier und mäßig ängstlich. Noch sind viele Firmen analog organisiert und arbeiten mit spezialisierten Reisebüros vor Ort. Dennoch, die Zeitenwende ist eingeläutet. Sollten sich die Start-Ups durchsetzen, droht ihnen neben einem verstärkten Wettbewerb allenfalls, dass sie durch die Branchenriesen aufgekauft werden.

ERFAHRUNGEN UND ERFOLGE

Wikipedia wider Wissen

Entscheidungsgewalt

Der Grabgesang ist noch nicht erfolgt, doch mehren sich Anzeichen für den Niedergang eines großen Projektes. Wikipedia ist in die Jahre gekommen und mit ihm die Aktualität ...

vieler Artikel. Sie hat sich ausgedünnt, die Riege der Redakteurskooperative. Über 5000 Artikel sind mit einem Warnhinweis zur Überarbeitung versehen. Das mag wenig erscheinen, sind in der deutschsprachigen Version doch gut 2,3 Millionen Beiträge enthalten. Auf Dauer wird die Aktualität allerdings weiter sinken. Der einstige Schwarm von freiwilligen Redakteuren hat Federn gelassen. Nur ein geringer Teil der verbliebenen 900 Aktiven kümmert sich um Qualität und inhaltliche Erweiterung. Hier wachen 188 Administratoren, die von den angemeldeten Nutzern gewählt werden. So weit, so gut, leider wählen nur verhältnismäßig wenige der angemeldeten Berechtigten. In der Folge wird weniger das Weltwissen umfasst als vielmehr ein Erbhof verteidigt. Die Verteidiger sind gleichzeitig Untersuchungsführer, Ankläger und Richter. Nicht selten empfinden sie Änderungen an den von ihnen bearbeiteten Beiträgen als Majestätsbeleidigung und tilgen diese immer wieder. Damit sind die Chancen, dass sich ein neuer Wissensschwarm etabliert, eher gering. Viel Arbeit, Pro bono, um dann womöglich gelöscht zu werden? Das macht keinen Spaß und folglich schreitet der Federlass fort.

Es gibt allerdings Alternativen. Der gebundene große Brockhaus ist antiquarisch noch erhältlich. Die letzte Printausgabe erschien 2006. Im Jahr 2015 übernahm der Verlag der Schwedischen Nationalenzyklopädie (NE Nationalencyklopædin AG) die Brockhaus-Rechte und vermarktet über die deutsche Tochter NE GmbH die Onlineausgabe der Brockhaus Enzyklopädie. Ein Jahresabonnement hierfür beträgt in der Basisversion rund 60 Euro.

„Du Blödmann“ sagt sich leichter

Pinocchio

Das „Sie“ in Verbindung mit dem Begriff in der Überschrift geht schon schwerer über die Lippen. Alt und jung, beruflich und privat, die Anwendung der Höflichkeitsform war klar definiert und Distanz leichter zu wahren. Unübersichtlicher stellt sich die ...

Welt heute dar. Cooler und jugendlicher wirkt natürlich das „Du“. Hinzu kommt für die Unternehmen, dass sie sich für junge und qualifizierte Arbeitskräfte aufhübschen müssen, um nicht schon gegen das erstbeste Start-Up das Nachsehen zu haben. Teilweise schon qua Erlass eingeführt, teilweise noch im Stadium des Experimentierens, die Erfahrungen können unterschiedlicher nicht sein. Laut einer Umfrage der Hochschule Osnabrück wurde das Modell bevorzugt, in dem Praktikanten, Beschäftigte oder Führungskräfte selbst entscheiden konnten, wen sie duzen oder siezen wollten. Hinzu kommt, das je nach Branche unterschiedlich mit der Anrede verfahren wird. In der hippen Werbebrache der siebziger Jahre hatte das Du schon Einzug gehalten. Das Sie wird dagegen auch heute noch zwischen Lehrherren und Auszubildenden vorherrschen.

Duzen schafft eine eher familiäre, vertraute Atmosphäre. Die Anrede in der zweiten Person verleitet zu Vertraulichkeit, die nicht in allen beruflichen Situationen angemessen wirkt. Das gilt nicht nur für den Mitarbeiter, sondern auch für den Vorgesetzten. Unangenehmes wie Mehrarbeit oder gar Kündigung lässt sich ohne schützende Distanz leichter loswerden. Das Hamburger Modell (Vorname und Sie) wirkt so, wie man sich den hanseatischen Kaufmann vorstellt, ein wenig steif und kühl. In Anbetracht all dieser Unwägbarkeiten scheint das Ergebnis der Hochschule Osnabrück eine gute Handlungsmaxime zu sein. Eines bleibt aber bei allen Entscheidungen pro oder contra gewiss: Ein Zurück vom einmal vereinbarten Du gibt es nicht ohne Ärger und Gesichtsverlust.

ENTWICKLUNG UND BEISPIELE

Spaltpilz Empathie

Holzpuppe

Kaum zu glauben, dass ausgeprägte Empathie das Gegenteil dessen bewirken kann, was man ihr zuschreibt. Doch genau darauf weist ein Ergebnis hin, das eine Studie Universität Houston schlussfolgert. Mitgefühl ...

kann zerstörerisch auf Gruppen und Gesellschaften wirken. Bislang schien unwidersprochen, dass Empathie vonnöten ist, um zu vereinen und Gesellschaftsgräben zu überwinden. Stimmt auch. Aber eben nicht ganz, wie die Wissenschaftler aus Texas meinen. Gerade übermäßig empathiebegabte Menschen neigen dazu, politisch andersdenkende Vereinigungen mit Unmut und Hetze zu überziehen. Ihre Anteilnahme gilt in erster Linie den eigenen Gesinnungsgenossen. Eine Gruppierung, die sich dieser Gesinnung entgegenstellt, löst einen Polarisierungseffekt aus; „diese Bösen stellen sich gegen uns, die Guten“. Haltungen und Meinungen der Gegenseite führen zu Ablehnung bis hin zu Wut und Hass.

Die Studie wurde in den USA durchgeführt. Sie muss also nicht unbedingt global Gültigkeit haben, beispielsweise in Deutschland. Merkwürdig ist allerdings, dass die Probanden in Texas dafür stimmten, Vorträge der ideologischen Gegenseite an Universitäten nicht zuzulassen.

Aus Fehlern anderer wird man klug

Ordnungsprinzip

Fehlertoleranz als Ausgangslage für Lernprozesse ist bekannt. Dass man allerdings kaum aus eigenen Fehlern lernen soll, das ist eine Erkenntnis, ...

die Lauren Eskreis-Winkler und Ayelet Fishbach ihrer wissenschaftlichen Studie an der Universität von Chicago verdanken. Sie haben herausgefunden, dass Fehler das Lernen blockieren und Erfolge klug machen. Das eigene Ego steht der konstruktiven Fehlerbewältigung im Wege, denn es reagiert gekränkt auf den Zeigefinger, der das Manko verdeutlicht. Fast jeder kennt die Scham an der Schultafel, wenn die Patzer für alle sichtbar werden. Eine solche Rückmeldung zaubert kein Lächeln aufs Gesicht, sondern fördert den Rückzug in sich selbst. Mit der Konsequenz, dass man sich dieser Aufgabe zunächst einmal verweigert. Für die Mitschüler gilt eine andere Ausgangslage. Ihnen widerfährt maximal Fremdschämen, die Kosten der Bloßstellung tragen sie allerdings nicht. Die Lösung bleibt im Gedächtnis. Sie ist mit einem erlebten Fehler verknüpft. Eben aber nicht mit dem eigenen. So gesehen hat die Fehlertoleranz im Unternehmen wohl weniger mit der Einleitung von Lernprozessen zu tun. Vielmehr geht es dann darum, den an Aufgaben gescheiterten Mitarbeitern die Motivation zur ungebremsten Weiterarbeit zu vermitteln.

Im 18. Jahrhundert scheint der deutsche Physiker und Aphoristiker Georg Friedrich Lichtenberg die Ergebnisse aus Chicago vorausgeahnt zu haben: Jeder Fehler erscheint unglaublich dumm, wenn andere ihn begehen.

BÜCHER UND ARTIKEL

So nah und dennoch unverfügbar

Die Erde ist eine Scheibe?

Kann man kaufen, hat man aber trotzdem nicht. Der Erwerb bleibt unverfügbar. Unverfügbarkeit wird als Begriff von Hartmut Rosa in seinem gleichnamigen Buch eingeführt, um gesellschaftliche Entwicklungen, Paradoxien und Phänomene aufzuzeigen. Dem Professor für Soziologie an der Universität Jena und Direktor des ...

Max-Weber-Kollegs der Uni Erfurt gelingt es in lesbarer und bildhafter Sprache zu erklären, warum die Welt, je näher sie rückt, um so weiter entfernt scheint. So nah wir auch herangehen, Wesentliches bleibt unverfügbar. Es gilt in Beziehung zum Kunstwerk, zum Buch, zur Musik oder auch zum Reiseland treten, um die Resonanz auf unsere Wahrnehmung zu spüren. „In dem Moment, wo wir einer Landschaft oder einem Ereignis oder einem Objekt mit dem Blick des Fotografen begegnen, hören diese auf, zu uns zu sprechen.“ Die Ursache hierfür sieht der Autor in einer Entwicklung, bei der durch Werbung und Konsum unser Beziehungsbegehren durch ein Objektbegehren ersetzt wurde. Man kann sich eine Reise nach Lhasa in Tibet auf das Dach der Welt leisten. Mit dem Auge hinter der Kameralinse und dem Häkchen hinter jedem Ausflugsziel hat sich das Mysterium dieser Landschaft dennoch nicht erschlossen. Anders gesagt, die besondere Wirkung oder der Zauber, den eine Landschaft ausüben mag, stellt sich ein oder aber auch nicht. Man weiß im vor hinein nicht, ob sich Resonanz ereignen wird.

Hartmut Rosa ist sich allerdings auch im Klaren, dass seine „Resonanzmeditation“ kein Erfolgskonzept für die Wirtschaft verspricht. Hier lautet das Credo, in kürzestmöglicher Zeit das bestmögliche Ergebnis zu erreichen und dabei die Kontrolle über den Prozess zu behalten. Der Preis hier, so Rosa, sind in Kauf genommene Scheuklappen. „Wir erfahren gar nicht die Dinge in ihrer phänomenalen Vielfalt, sondern nur das, was wir begrifflich, ökonomisch oder technisch an ihnen verfügbar gemacht haben.“


Hartmut Rosa, „Unverfügbarkeit“, Residenz Verlag, 136 Seiten, 19 Euro.

There be dragons

Da sind Drachen. Ähnlich wurden im 16. Jahrhundert von Geografen unbekannte Gebiete bezeichnet, in denen ihre Phantasie gern Fabeltiere ansiedelte. Fabelhaft mutet auch das Buch „Leadership by Game of Thrones“ von Mark Hübner-Weinhold und Manfred Klapproth ...

an, besonders kritischen Gemütern auch zu. Angetreten mit dem Anspruch, Führung am Beispiel der Protagonisten von „Game of Thrones“ zu erläutern, wirkt das Werk weniger als Beitrag zur Management-Literatur. Es scheint eher den Fans der Serie als Almanach der Geschehnisse im fiktiven Westeros zu dienen. Eines kleinen Schmunzelns kann man sich kaum erwehren, wenn am Ende der Kapitel Tyrions Tipps in Form eines Führungsresümees zu lesen sind. Zur Erinnerung, Tyrion Lennister ist der kleinwüchsige Protagonist in der Serie, der hervorragend durch den Schauspieler Peter Dinklage verkörpert wurde.

Wohlgemerkt, man kann schon zum Thema Führung einiges aus dem Buch schöpfen. Die Frage ist einfach, ob man dafür den Kosmos einer Fantasy-Reihe als Aufhänger braucht. Ein wenig regt sich der Verdacht, dass die enorme Medienwirkung dieser Serie genutzt wurde, um sozusagen als Trittbrettfahrer verlegerischen Rahm abzuschöpfen. Diese Vermutung erhärtet sich, wenn man feststellt, dass im gleichen Verlag in ähnlicher Aufmachung „Management by Sauron: Führungskonzepte aus Mittelerde“ ein Jahr zuvor erschienen ist. Apropos Aufmachung, das Buch ist wertig gebunden und aufwändig mit tollen Illustrationen von Jörg Drommel gestaltet. Kurzum, wer meint, unbedingt mal wieder ein Fachbuch lesen zu müssen, sich dabei aber nicht allzu weit vom Fernseher entfernen will, trifft mit diesem Buch eine gute Wahl.


Mark Hübner-Weinhold & Manfred Klapproth, Leadership by Game of Thrones, Vahlen Verlag, München 2019, 356 Seiten, 26,90 Euro.

DATEN UND AKTUELLES

Öffentliche Trainings

Unser nächstes öffentliches Managementtraining
"WANDEL-MACHT-MUT"
findet an den folgenden Terminen statt:

KARIKATUR

Zum Schmunzeln

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