NETZ UND TRENDS
Einschränkung der Datenkrake

Kaum zu glauben, ein Big Player der IT-Garde legt sich Fußfesseln an. Apple hat seinem neuen IOS 14 ein paar Datenschutzhürden verpasst, die ein paar IT-Granden im Silicon-Valley nicht gut gefallen. Dafür geht aber bei vielen Nutzern …
der Daumen hoch. Das neue Betriebssystem warnt bei kompromittierten Passwörtern und auch der Transparenz beim App-Tracking wurde deutlich mehr Gewicht eingeräumt. IOS 14 schlägt auch Alarm, sobald eine App auf das Clipboard zugreift. Hierbei handelt es sich um die vermeintlich persönliche Zwischenablage, in der ausgeschnittene oder kopierte Bilder und Texte landen. Besonders TikTok scheint besonders häufig auf das digitale Klemmbrett zu schauen. Allerdings taucht dieses Phänomen auch in Zusammenhang mit Microsoft Teams, Instagram oder dem Reddit-Client Apollo auf. Google Chrome bietet so zum Beispiel den Komfort, eine vorab kopierte URL direkt im Browser aufzurufen.
Viele Apps verraten den genauen Standort. Im jüngsten IOS gibt es unter „Einstellungen | Datenschutz | Ortungsdienste“ eine neue Funktion: Man kann für jede App einzeln bestimmen, ob iOS den exakten oder nur ungefähren Aufenthaltsort übermittelt. Entscheidet man sich für Option zwei, nennt Apple der jeweiligen Anwendung nur einen beliebigen Ort im Umkreis von 15 Kilometern.
Viele Apps tracken Nutzerdaten nach der Installation ohne vorherige Abfrage automatisch. Auch das soll sich ändern. Hat man eine Anwendung aus dem App Store heruntergeladen und installiert, muss das Tracking explizit erlaubt werden.
Und dann gibt es neuerdings den grünen und einen orangefarbenen Punkt am oberen Bildschirmrand des iPhones oder iPads. Mit dem grünen Punkt zeigt Apple dem Nutzer an, dass die Kamera des iPhones oder iPads aktiv ist. Damit man nicht unbemerkt gefilmt wird oder ein Video aufzeichnet, sollte man auf diesen grünen Punkt achten. Der orangefarbene Punkt zeigt, dass das Mikrofon des iPhones oder iPads aktiviert ist. Auch diese Anzeige ist wichtig. Apps, die Audio aufnehmen, können oft im Hintergrund laufen und so unbemerkt aufzeichnen. Es wird sich zeigen, ob Apple mit diesen Neuerungen im Wettbewerb die Nase wieder ein kleines Stückchen nach vorn schieben kann.
Gar nicht dumm

Dummheit wurde schon öfter thematisiert, zuletzt und durchaus beachtet in unserem letzten Newsletter. Sozusagen auf vielfachen Wunsch wird nun erneut auf die Dummheit verwiesen, diesmal begrifflich …
zurechtgerückt von Robert Musil. Die vergleichsweise kurze Abhandlung ist die Niederschrift eines Vortrages, den Musil in Wien am 11. März 1937 auf Einladung des österreichischen Werkbundes hielt. Man merkt dem Autor an, dass er anfangs Schwierigkeiten mit diesem Thema hat. Dennoch, im Unterschied zu den Verfassern der Texte in „Psychologie der Dummheit“, gelingt ihm der Zugriff auf den Vortragsgegenstand schnell. Er entdeckt anhand der Beispielsuche, dass die Dummheit in sehr unterschiedlichen Erscheinungsformen unterwegs ist und - pardon - häufig im Auge des Betrachters liegt. Sie ist eben häufiger gesellschaftliches oder sprachliches Phänomen als genetisches Gebrechen.
Der Text ist in Buchform und als Kindle erhältlich, wobei die Kindle-Ausgabe kostenlos zu beziehen ist. Sollte man sich intensiver mit der Schrift auseinandersetzen wollen, empfiehlt sich für den ungeübten Kindle-Leser die Papierausgabe. Markierte Textstellen finden sich schnell, wohingegen die Lesezeichensetzung digital erst einmal geübt werden muss. Oder anders gesagt, die Rezeption im Kindle erfordert eine andere Vorgehensweise, wenngleich der Papierleser nicht dümmer ist als der digitale Nutzer. „So hat jede Klugheit ihre Dummheit, und sogar die Tierpsychologie hat in ihren Intelligenzprüfungen herausgefunden, dass sich jedem „Typus von Leistung“ ein „Typus von Dummheit“ zuordnen lasse.“
Robert Musil, Über die Dummheit, urheberrechtfreie Kindle Ausgabe, 0,00 €, alternativ Robert Musil: Über die Dummheit, Edition Holzinger, Taschenbuch Berliner Ausgabe 2016, 3,87 €.
ERFAHRUNGEN UND ERFOLGE
Zum Tod des Papiertigers

Kurt Tucholsky wird der Ausspruch „Die Basis einer gesunden Ordnung ist ein großer Papierkorb“ zugeschrieben. Heißt das im Umkehrschluss, dass das papierlose Büro unordentlich sein wird? Oder dass der Papiertiger ...
nicht nur ungefährlich ist, sondern mangels Masse gänzlich zum Fabelwesen mutiert? Seit einem halben Jahrhundert ist es herbeigeredet, nun leert es die Aktenschränke – das papierlose Büro. Das E-Rechnungs-Gesetz von 2016 verpflichtete Länder und Kommunen, bis April 2020 die Voraussetzungen für Empfang und Verarbeitung elektronischer Rechnungen zu schaffen. Der Verkauf hochwertiger Bürodrucker ging in diesem Jahr zurück und doch hält sich der Verbrauch des beschreibbaren Zellstoffes beharrlich bei 500.000 Tonnen pro Jahr in Deutschland. Allerdings stieg der Absatz von Druckern, die fürs Home Office geeignet sind. Zu Hause hält man an lieb gewordenen Gewohnheiten fest. Papier ist weiterhin eine Schnittstelle, die die geringsten technischen Voraussetzungen benötigt. Zu bemerken ist dies in Abteilungen, die viel mit externen Partnern zusammenarbeiten. Daneben gibt es die sogenannte Schriftformerfordernis, die derzeit noch für notarielle Dokumente und viele Verträge gilt. Doch auch hier zeichnet sich eine Umstellung in den nächsten Jahren ab. Es wird wohl kommen, das Büro mit Glasfaser statt Aktenschrank.
Die letzten Gefechte finden derzeit statt. Der Nachteil des papierlosen Büros sei die Informationsflut; wird geregelt durch verbindliche E-Mail-Etiketten. Eine wissenschaftliche Studie zur Zukunft des Lesens ergab, dass längere Informationstexte besser auf Papier als vor Bildschirm verstanden werden; mag sein. Jüngst korrigierte eine neue Studie die Erkenntnisse einer älteren Untersuchung, die den Stift als mächtiger denn die Tastatur festschrieb. Der Medienpsychologe Malte Elson von der Ruhr-Universität Bochum bezweifelt das. "Die meisten Jugendlichen haben schlicht und ergreifend keine Übung darin, an einem Gerät zu lernen, das so viele Ablenkungsmöglichkeiten bietet wie ein Computer." So oder so, wer schreibt, der bleibt oder auch: Der Papiertiger ist tot, lang lebe der Digitaltiger!
KI als Mogelpackung

Nicht überall, wo KI draufsteht, ist auch Künstliche Intelligenz enthalten. Es verkauft und erklärt sich gut, wenn die Zauberformel des 21. Jahrhunderts Effizienz und Modernität verspricht. Es reicht derzeit, KI zu ...
rufen und schon wird dem Start-up das Konto auskömmlich gefüllt. Stewart Russel, Professor an der Universität von Kalifornien in Berkeley, sieht bei 80 Prozent der Fälle, in denen mit KI geworben wird, falsche Informationen. Tatsächlich haben Begriff und Inhalt seit Ihrer Erwähnung in der US-amerikanischen Stadt Dartmouth 1954 einen Prozess in viele Richtungen durchlaufen. Derzeit wird mit KI maschinelles Lernen aus großen Datenmengen verbunden. Dieser Vorgang ist aufwendig und teuer, muss der Rechner immer wieder Trainingsdatensätze durchlaufen, mit den Zielvorgaben vergleichen und die Variablen neu wichten. Nicht selten verändern sich die Referenzdaten und erfordern daher stetigen Neustart. Unternehmen, die mit einfachen Algorithmen operieren, haben diesen Investitionsbedarf nicht, lassen dies aber sehr gern unerwähnt. Das lohnt sich auch anderweitig. Beispielsweise Start-ups, die im Bereich der künstlichen Intelligenz angesiedelt sind, liegen bei ihren Finanzierungsrunden 15 bis 20 Prozent höher als andere.
Es gibt noch einen weiteren Vorteil, mit dem Label künstlicher Intelligenz zu arbeiten. In Studien wurde deutlich, dass Menschen bisweilen Maschinen mehr anvertrauen als menschlichen Beichtpartnern. Sie glauben, ihr Bekenntnis bliebe in der Anonymität der Maschinenwelt. Der Rosstäuscher ist halt ein Metier, dass nicht ausstirbt. Man arbeitet nur anders. So entstanden Unternehmen, die Mitarbeiter dafür bezahlen, sich wie Maschinen zu verhalten, um dann ihr System als maschinelles Lernen zu verkaufen. Die gute alte praktische Einsichtsvermögen des Menschen wird wohl noch ein bisschen gebraucht – und sei es, um falsche Intelligenz zu entlarven.
ENTWICKLUNG UND BEISPIELE
Der bewegte Mensch

Aller guten Dinge sind drei. Daher nehmen wir die dritte Auflage „Menschen bewegen, Das Buch für Führungskräfte“ zum Anlass, ausnahmsweise einen Beitrag in eigener Sache vorzustellen ...
Anfangs als Begleitbüchlein zu den Führungsseminaren gedacht, hat sich die Schrift zu einem umfangreichen Buch entwickelt. Was unterscheidet nun die dritte Auflage von den zwei Vorherigen? Es ist selbsterklärend, die Teilnahme an Trainings der 3LINES ist nicht mehr vorausgesetzt. Die Themen sind aufgelistet und ausführlicher behandelt, sodass sich das Buch als Nachschlagewerk verwenden lässt. Ein schneller Blick beispielsweise in die Kapitel Entwicklungs- und/oder Tadelsgespräch ergänzt noch einmal die Vorbereitung auf solche Gespräche, ohne erneut alle Teilbereiche durcharbeiten zu müssen. Der Praxisbezug ist allgegenwärtig. Die Beispiele sind tatsächlichen Aufgabenstellungen von Unternehmen entnommen. Der Charakter eines Handbuches wird zudem unterstrichen, da für Führungssituationen konkrete Formulierungsvorschläge empfohlen sind.
Die Chronologie der Kapitel wurde überarbeitet und ergänzt. Sichtbar, denn der Umfang legte noch einmal um gut 40 Seiten zu. Der Ratgeber kostet 39,90 €, für Teilnehmer der öffentlichen Trainings 19,90 €, bestellbar über: info@3lines.de
Joachim Karbe, Thomas Hudler, Menschen bewegen, Das Buch für Führungskräfte, 3. Auflage Juli 2020, ISBN 978-3-9820687-0-1, 238 Seiten, 39,90 €.
Mut zum kurzen Müßiggang

Oft scheint die Selbsteinschätzung, wie lange man konzentriert arbeiten kann, zu optimistisch angesetzt. Der Zeitraum für fokussierte Verrichtung schwankt - man traut sich kaum, es zu schreiben – zwischen ...
zehn und 45 Minuten. Nach 4 Stunden sacken die kognitiven Fähigkeiten deutlich ab. Ist die von acht bis fünf Regelung des Arbeitstages nicht eine Fehlkonstruktion? Zunächst mal nicht, denn die Rede ist davon, mit hoher Konzentration zu arbeiten. Wiederkehrende Routinen fressen weniger Energie. Womöglich setzen sie aber auch schöpferische Potenziale frei. Es ist bekannt, dass große Geister ihre Routinen, Rituale oder bestimmte Eigenarten pflegten, um kreative Höchstleistungen abzurufen. Ablenkung war verpönt. Sie hat nichtsdestotrotz evolutionsbiologische Ursachen. Jeder Reiz konnte Gefahr oder Beute bedeuten, die Bereitschaft zum Fokuswechsel war überlebenswichtig. Ein solcher Stellenwert kommt der Kurzweil des Alltagslebens nicht zu. Dennoch, gute Ideen entstehen nicht zwangsläufig hoch konzentriert am Schreibtisch. Oft braucht es die assoziative Gedankenwanderung, um ein Bild, einen Plan oder einen Text zu stimmig zu vollenden.
Konzentration ist gut und wichtig. Sie funktioniert jedoch oft im Wechsel mit der Ablenkung. Man denke nur an einen Begriff, eine Person, die nicht einfällt. Sobald man den Gedanken loslässt, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man sich an das Gewünschte erinnert. Dabei muss es nicht immer die Flasche Jack Daniels sein, es reicht auch ein Blick aus dem Fenster.
BÜCHER UND ARTIKEL
Good Vibrations

Peter Arbeitsloser bekommt einen Delfinvibrator, den er nicht will. Na und könnte man sagen. Aber jetzt geht es los, denn die Geschichte spielt in der Zukunft und der Verfasser Marc-Uwe Kling hat dort ...
ein Szenario ausgedacht, das sich so absurd wie durchaus wahrscheinlich liest. Deutschland heißt Qualityland. Die Menschen sind in Level kategorisiert, die den sozialen und finanziellen Status bestimmen. Der Nachname der Hauptfigur Peter entspricht dem Beruf eines Elternteils, was für alle anderen Bürger ebenfalls gilt. Die Welt ist durchalgorithmisiert und so verschickt der Versandgigant The Shop Produkte, die die Menschen wollen, was sie aber bis zum Eintreffen des Produktes nicht wussten. Beim Delfinvibrator für Peter handelt es sich offensichtlich um eine Fehlberechnung und der Rückgabeversuch verläuft komisch kafkaesk á la „das System hat immer recht“. Kling lässt es kreativ krachen und Freunde des schrägen Humors kommen auf ihre Kosten. Versprochen.
Mittlerweile gibt es einen zweiten Band, in dem der Inhaber von The Shop den guten Peter entführen lässt, weil sich die Vibratorverweigerung herumgesprochen hat. Eine Keimzelle für Widerstand ist nicht vorgesehen und das System schlägt zurück. Die Geschichten um Peter Arbeitsloser sind auf dem besten Weg, Kultstatus zu erlangen, und so verwundert es nicht, dass HBO sich die Serienrechte an „Qualityland“ gesichert hat. Zur Erinnerung: Home Box Office, kurz HBO, ist ein US-amerikanischer Fernsehprogrammanbieter mit Sitz in New York, der auch „Game of Thrones“ produzierte.
Marc-Uwe Kling, Qualityland, Ulstein Verlag, Berlin 2017, 382 Seiten, 11 Euro.
Über Pöbel und Populisten

Befindet sich die Demokratie tatsächlich in der Krise, weil jeder den Slogan „Wir sind das Volk“ für sich reklamiert? Dies ist eine der zentralen Fragen, denen der Bremer Politikwissenschaftler Philip Manow ...
in seinem Essay „(Ent-) Demokratisierung der Demokratie“ nachgeht. Seine zentrale These lautet, dass die politische Situation gleichermaßen vom Wachsen und Schwinden demokratischer Prozesse geprägt ist. Manow verweist beispielsweise auf den Umstand, dass durch die Erfolge populistischer Parteien und Führer die Demokratie eben nicht grundsätzlich in Zweifel gezogen ist. Diese Mandate sind durch Wahl zustande gekommen. Das geht in der gegenseitigen Bezichtigung, antidemokratisch zu sein, gerne ein bisschen unter. Die Volksvertretung wird von Populisten wie Liberalen beansprucht. Im Ergebnis führt dies zur Verhärtung der Fronten. Hinzu kommt, dass die Teilhabe an politischen Prozessen und Entscheidungen weniger Einschränkungen unterliegt. Damit verlieren die herkömmlichen Parteien, deren institutionalisierten Entscheidungsprozesse lange Zeit für Berechenbarkeit sorgten, zunehmend an Bedeutung.
Wer sich die Frage stellt, wie beispielsweise das Phänomen Trump zu erklären ist, hat eine gute Chance, das Wie und Warum deutlicher nachvollziehen zu können. Allerdings ist ihm auch hiermit kein Werkzeug an die Hand gegeben, die Welt ein für alle Mal erklären zu können.
Philip Manow, (Ent-)Demokratisierung der Demokratie, Suhrkamp Verlag, Berlin 2020, 160 Seiten, 16 Euro.
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Zum Schmunzeln

Der Newsletter wurde erstellt mit der redaktionellen Unterstützung von www.beziehungswerk.de.